Kein Maulkorb für Müller!

Prof. Müller schrieb einst auf seiner Website:

 

Stellungnahme zur Neuregelung der ECTS-Berechnung:

   

Am 16.03.16 habe ich festgestellt, dass die Hochschule die Regeln für die Anerkennung von Praktika verändert hat. In den Hinweisen zum Formblatt findet sich jetzt die Formulierung: "Bei einer Vollzeit-Tätigkeit (35 – 42 h/Woche) ergeben 4 Wochen 5 ECTS. Bei einer Teilzeit-Tätigkeit werden 150 Stunden mit 5 ECTS bewertet. Bitte beachten Sie, dass bei der Ermittlung der ECTS die Zeiten der Praktika um Fehl- und Krankheitstage gekürzt werden. Urlaubs und Feiertage werden nicht abgezogen." (Download-Datei „Formblatt_Praxismodul.pdf“ unter der Überschrift „Formblatt bis WS 2015/16“) Mit dem letzten Satz dieser Regelung werden Leistungen, die außerhalb der Hochschule erbracht werden (hier: Urlaub) als Studienleistung (hier: Praktikum) anerkannt, obwohl sie nicht gleichwertig sind. Diese Regelung halte ich für rechtswidrig.

     

In der früheren Regelung wurden nur Anwesenheitszeiten als Praktikum anerkannt, was den Studenten in einem Formblatt zur Anmeldung von Praktika mit der Formulierung „Mir ist bekannt, dass bei der Ermittlung der ECTS Urlaubs- und übrige Fehltage abgezogen werden. Bei einer Wochenarbeitszeit ab 37,5 Stunden wird pro Anwesenheitstag 0,25 ECTS gewährt, sofern mindestens 20 Anwesenheitstage in diesem Praktikum vorliegen. Bei einer Wochenarbeitszeit unter 37,5 Stunden werden für je 3 Stunden 0,1 ECTS gewährt, sofern in diesem Praktikum mindestens 150 Anwesenheitsstunden vorliegen.“ (Downloaddatei „Anmeldung.pdf“ unter der Überschrift „für zukünftige Praktika“ - diese Datei wurde aus dem Downloadangebot der Hochschule entfernt) auch tranparent dargestellt wurde.

     

Nach meinem Verständnis des letzten Satzes der neuen Regelung wären bei einem Praktikantenvertrag mit 16 Wochen zwischen März und Juni, in dem abweichend vom Tarifvertrag und dem BUrlG 15 Wochen Urlaub vereinbart (5 Feiertage gibt es sowieso) würden, 20 ECTS zu vergeben. Damit wird für die Studenten, die kein Praktikum absolvieren wollen, eine legale Umgehungsmöglichkeit geschaffen. Bisher hätten sie bei Umgehungen mit einem gefälschten Zeugnis den Straftatbestand der Urkundenfälschung nach § 267 StGB oder bei der Verwendung eines echten Gefälligkeitszeugnisses über ein Praktikum, das in Wirklichkeit nicht stattgefunden hat, den einer mittelbaren Falschbeurkundung nach § 271 StGB verwirklichen müssen. Aus meiner Tätigkeit habe ich den Eindruck gewonnen, dass solche Fälle keine Ausnahmeerscheinungen sein dürften, auch wenn im Einzelfall ein Beweis kaum möglich ist. Jetzt kann mit dem Abschluss eines Praktikantenvertrags, aus dem keine Arbeitsleistung geschuldet und wahrscheinlich keine Vergütung gezahlt wird (Pflichtpraktika sind vom gesetzlichen Mindestlohn ausgenommen) das Praktikum ganz offen umgangen werden.

     

Diese Regelung verstößt nach meiner Rechtsauffassung gegen § 25 Abs. 3 Satz 3 Hochschulgesetz, weil der Urlaub außerhalb der Hochschule und des Unternehmens verbracht wird und es sich hierbei um keine mit der Studienleistung „Praktikum“ gleichwertige Qualifikation handelt. Dieser Mangel ist auch offensichtlich. Aus der früheren Regelung, nur Anwesenheitszeiten als Praktikum zu werten, ist das Problembewusstsein der Fachbereichsleitung bezüglich der fehlenden Gleichwertigkeit nur formaler Beschäftigungszeiten (Urlaub und Krankheit) mit der Studienleistung (Anwesenheitszeiten im Praktikum) klar erkennbar. Mit der Neuregelung wurde also die frühere Bewertung aufgegeben und jetzt in vollem Bewusstsein Urlaub zu einer Studienleistung erklärt. Das kann ich bei einer verständigen Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere unter Berücksichtigung des unter der Zwischenüberschrift „Die Ehrlichen sind die Dummen!“ dargestellten Vorfalls nur als Absicht werten, die Strafandrohungen aus §§ 267 und 271 StGB für Studenten entfallen zu lassen, die das Praktikum umgehen wollen.

     

Nach § 19 Abs. 5 Hochschulgesetz sind in die Studiengänge der Fachhochschulen eine berufliche Ausbildung oder ein an deren Stelle tretendes berufliches Praktikum integriert. Sie werden durch einen Wechsel von Studien- und Praxisphasen gekennzeichnet. Man kann nicht den Eindruck gewinnen, als ob dieser gesetzliche Auftrag von der Fachbereichs- und der Hochschulleitung wirklich durchgesetzt wird. Das Praxismodul erscheint schon nach der bisherigen Regelung eher als Feigenblatt und lästige Pflichtübung denn als Kernkomponente des gesetzlichen Auftrags. Mit der Schaffung der legalen Umgehungsmöglichkeit wird die von mir vermutete Absicht, den gesetzlichen Auftrag nach § 19 Abs. 5 Hochschulgesetz nicht erfüllen zu wollen, noch klarer erkennbar.

     

Ein weiteres Problem der Neuregelung ist darin zu sehen, dass mit der neu eingeführten Definition von Vollzeit als 35 bis 42 Wochenstunden ein Praktikium mit mehr als 42 Wochenstunden als Teilzeit-Praktikum zu werten wäre. Bei einer Wochenarbeitszeit von 42 Stunden wären also die 20 ECTS für 16 Wochen zu vergeben, bei 42,25 Stunden für nur 14,2 Wochen. Damit müssten auch für Praktika unter 16 Wochen die vollen Punkte vergeben werden, obwohl die Prüfungsordnung ein Praktikum von mindestens 16 Wochen vorschreibt.

     

Ich habe die Regelungen für das Praxismodul nicht formuliert, ich habe sie nur anzuwenden. Das gilt auch für unsinnige, aber nicht für gesetzwidrige Regelungen.